"...seid ein Gespräch"
„vor dem anschlag meiner zunge zur
sprache kam mir der stift abhanden & im
vor- & nach-denken dessen, was Ich ausdrücken wollte, stockte
mein
atem: Ich sah form, farbe: im lichte offenbart: Ich traf erzengel
Michael,
Gabriel & Raphael in bildnis-biblischer 3einigkeit, die mir davon
kündeten,
wovon erzengel Anael mir schon zuvor zeugnis abgegeben hatte:
zeige allseitig offen präsenz dafür, dass wir, die wir uns homo
sapiens benennen
im verzehren unserer leiblichen geistigen & seelischen energie
GOTT
gegenwärtigen
seitdem hüte Ich meine zunge & pflege den augenaufschlag.“
dieses gelöbnis, das zugleich ein gelübde zu beinhalten scheint, notierte Ich vor einigen jahren in mein notizbüchlein & habe mich eigentlich unbewußt bis dato daran gehalten, aber wie das leben so spielt, ändern sich des öfteren die vorgesetzten spielregeln ohne eigenes zutun & auch bei bemühtem studium des gesellschaftlichen umfeldes fällt es einem oft schwer festzustellen, woher nun diese neuen regelungen kämen: aber gerade in theologischen fragen entstehen im volke oft strömungen, deren ursprünge im vagen liegen, was glaubensfragen ja eigentlich immer so an sich haben, sonst wären sie ja gar nicht ebensolche.
als Ich in noch bevorzugt in städten wohnte, besuchte
ich kirchen,
weil man nun mal in der Frauenkirche in München vorbeischaun oder in
den
Kölner dom oder den heiligen Christophorus als fresco am Augsburger
dom
oder die turmruine der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am
Kurfürstendamm
anschaun & gesehen haben musste. & eine reise wurde
oft in
ihrer route von kirchen bestimmt, egal ob nun die kathetrale in
Chartres, Le
Corbusiers werk in Rochamp, St. Patrick´s Cathedral in New York, die
Haghia Sophia in Istanbul, Mariamana in Ephesus bei Selçuk standen
oder
das ende des Jakobsweges in Santiago de Compostela war. mich zog auch
nicht die architektur oder der gottesdienst dorthin, sondern das
geistige selbstverständnis,
das sich nun mal über jahrtausende in form von gotteshäusern
manifestiert
hatte & dessen entstehungs- & wirkungsgeschichte mich
interessierte.
als Ich dann unsanft auf dem lande landete, da mied Ich die kirchen,
denn dort war für mich immer eine gewisse verdichtung von klüngel
der katholischen ortsbewohner konzentriert zugegen, mit der
anscheinend noch
landläufigen meinung „unterm krummstab ist gut leben“. Ich
betrat nur die oft an kirchen angrenzenden friedhöfe aus
gesellschaftspolitischem
interesse & studierte aus gewisser distanz die unterschiedlichen
türme
dieser ländlichen kirchen, machte mir von der ferne notizen vom
einfluss
der landschaft & des klimas auf deren erscheinungsform &
traute mich
nur mehr hinein, wenn Ich eingeladen wurde, als bildender künstler den
volksaltar & den ambo samt chorgestühl zu entwerfen &
bildzuhauern,
wenn das ölgemälde des heiligen Nikolaus aus dem 19. jahrhundert über
dem nebenaltar von russ & vogelscheisse zu reinigen war oder um
den zuständigen
bischof um erlass der sogenannten kirchensteuer anzubetteln & ihm
im gegenzug
dafür ein bildnis des von der katholischen lehre ziemlich
vernachlässigten
erzengel Anael für eine geplante diözesanausstellung anzubieten:
was Ich dann danach jedes mal zutiefst bedauerte, denn irgendwie hatte
Ich
mit den bekanntschaften, die Ich dabei machte, kein gutes händchen,
& das
fing wohl damit an, dass Ich angesichts des bischofs nicht wusste, ob
da jetzt „hochwürden“, „exzellenz“, „bischöfliche
gnaden“ oder sonst was als anrede anstünde, ob man den
berühmt-berüchtigten
bischöflichen ring küssen müsste, wie Ich schon oft gehört &
einmal
gesehen hatte oder vielleicht gar in die knie gehen sollte.
stattdessen kam
Ich diesen würdenträgern gleich immer mit einem geistigen geschenk
entgegen, zündete diskussionen über die kaballa, die liturgie, Maria
oder die sieben erzengel an & freute mich wie Gabriel nach der
verkündigung,
wenn Ich ein verhaltenes: „Ich habe die botschaft verstanden“
erhielt.
leider war Ich zumeist ein schlechter botschafter, denn der eine
bischof wurde
kurz nach der feierlichen einweihung meines altartisches wegen zu
wenig verhaltenheit
in sexuellen belangen in ein kloster gesteckt, wo er sich seinem gott
in die
hände warf & der andere wurde bald nach meinem gespräch mit ihm
schwer krank & sagte ein weiteres geplantes treffen mit anderen
künstlerkollegen
ab.
seitdem spreche Ich meinem altar & meinem bildnis des erzengels
anael
gewisse kräfte nicht nach aber auch nicht ab & versuche, solche
treffen
zu meiden. – wozu eigentlich auch gar kein anlass mehr besteht, da
Ich
mir selber in meiner bildnerischen arbeit klerikal interpretierbare
annäherungsversuche
verbiete.
da jetzt vor kurzem der heilige vater, seine
heiligkeit, der papst Benedikt
XVI unsere lande besucht hat, wurden diese meine begegnungen mit dem
höheren
klerus in meinem vom katholizismus gereinigt geglaubtem bewusstsein
virulent,
wie denn dann auch das gedächtnis an mein gelöbnis mit
eingeschlossenem
gelübde, das Ich da anscheinend zu voreilig ein paar jahre zuvor wie
ein
unverrückbares postulat abgegeben hatte, unweigerlich auferstanden
war: irgendwie war auch kein entkommen mehr, die mediale präsenz
steigerte
sich bis zu einem „jetzt sind wir papst“ in anspielung
auf die bekannte schlagzeilen-prägnanz der presse der bundesdeutschen
nachbarn, was für mich schon einen arroganten anklang zur verbrüderung
intonierte.
einfach penetrant.
aber was solls, dachte Ich, die bajuwaren sind uns ja doch ziemlich
nahe & das
nicht nur von der geographie her, das geht ja teilweise bis zur
blutsbrüderschaft
auf gemeinsamem boden, der bruder von seiner eminenz, „unserem“
kardinal
hat ja auch schon fotos von meinen bildern in München mit seiner
haselblad geschossen & der andere bruder von ihm, den seh Ich ja
auch des öfteren
im bayerischen oder österreichischen fernsehen & letztes jahr hat
er selber bei einer stippvisite in unserem wohnort meinem sohn die
hand gegeben & ihm
dabei die frage nach seinem namen gestellt. - gottseidank
hat mein sohn darauf nicht „Jan Christoph“ geantwortet,
sondern bloss „Jan“, sonst hätte seine eminenz vielleicht
gar „na siehst du, Christoph - so heiß ich auch!“ geantwortet
& mein
sohn wäre baff gewesen, dass der mit dem roten gewand vor
der Nikolauskirche nicht auch noch „Nikolaus“ hieße,
auch wenn er bart, mitra & krummstab zuhause vergessen hatte &
stattdessen
bloss eine brille trug.
wie ein kleines kind freute sich ein bayer, der vor dem wiener
stephansplatz,
dahinter weiss-blau-gerautet beflaggt & vom regen durchnässt ins
mikrophon raunte: „jetzt ist auch noch der himmel weiss-blau geworden,
was wolln mir mehr?“
eigentlich wollte Ich nicht von himmel & hölle in kirchlichem
sinne hier auf erden sprechen, sondern mit beiden beinen fest am boden
bleiben,
aber die ganze euphorie über diesen zweifachen nachbarschaftsbesuch
aus
Italien wie auch aus Deutschland in einer person vereint
schwingt
noch jetzt im schreiben mit. wenn man nun noch dazu den Vatikan als
eigenes
staatsgebilde ansehe, was einem die Bayern zum beispiel auch nicht
allzu schwer
machen & die katholiken beim heiligen geiste unter den anderen
beiden körperschaften
doch auch akzeptieren, dann wären wir schon angekommen bei der
dreifaltigen
union, die uns nach wie vor sonntäglich gepredigt wird, wenn auch noch
nicht in lateinischer sprache, derer wir uns wohlweislich ersinnen
oder ermächtigen
sollten, wenn wir in zukunft ihre botschaften verstehen wollen. Ich
hoffe nur,
dass dabei modern times mitspielt & es uns bei der
elektronischen
verkabelung der informationsgesellschaft gelingt, einen solchen lapsus
(oder: casus?)
wie bei der ansprache des papstes zu vermeiden, in der er in folgendem
satze
durch den ausfall des mikrophons unterbrochen wurde: „…schon vor
der erschaffung der welt hat gott uns……“
tja, da bleibt nun einiges an erklärungsbedarf offen, was er vorher
mit uns getrieben hat. & es wäre eigentlich ganz dringlich,
einsicht
in diese information zu bekommen, wo wir doch gerade dabei sind, uns
der erde
als erlebbare welt zu entledigen. aber offensichtlich bedienen sich
die agenten
der glaubenskongregation inquisatorischer praktiken innerhalb der
informationsgesellschaft,
um eine mögliche offenbarung zur rettung der welt zu verhindern &
machen
selbst vor einem ex-präfekten als papst nicht halt.
zu guter letzt noch ein spruch fürs imaginäre repetitorium,
über
dem eingangstor zu einem dorffriedhof in einen steinbogen zwischen
zwei knochenschädel
gemeisselt:
Die Engel in Himmelreich wundern sich über das Erdreich, weil sie
bauen Häuszer so Fest und sind darinn nur fremde Gäst; wo sie werden
Ewig sein dort Bauen sie gar wenig drein. R.V.
habent sua fata gnomen
friedhofsbesuche lehren über die wurzeln des gesellschaftspolitischen lebens des jeweiligen ortes hinaus…